
Als Gemeindevertreter einer vom Tourismus geprägten Gemeinde auf Rügen erlebe ich leider regelmäßig, wie unsere Möglichkeiten zur Selbstbestimmung eingeschränkt werden. Entscheidungen, die eigentlich hier vor Ort getroffen werden müssten – etwa zu Tourismusentwicklung, Verkehrsanbindung oder dem Umgang mit dem Immobilienmarkt – werden uns durch landes- oder bundespolitische Vorgaben entzogen. Das führt dazu, dass wir kaum noch selbst über die Zukunft unseres Ortes bestimmen können. Dabei kennen wir die Bedürfnisse unserer Bürgerinnen und Bürger doch am besten. Gerade auf Rügen, wo Tourismus, Naturschutz und Lebensqualität in einem sehr sensiblen Gleichgewicht stehen, brauchen wir mehr Handlungsspielraum – nicht weniger. Um einige Beispiele zu nennen:
- Tourismuspolitik: Entscheidungen zur Bettenbegrenzung, Strandnutzung oder Infrastrukturförderung werden oft außerhalb der Gemeinde getroffen.
- Finanzielle Abhängigkeit: Die Gemeinde kann oft keine eigenständigen Investitionen tätigen, weil sie auf Fördermittel angewiesen ist, deren Bedingungen wenig Spielraum lassen.
- Bürokratie und Vorschriften: Starre gesetzliche Vorgaben verhindern oft pragmatische Lösungen vor Ort.
- Wohnungsbau und Zweitwohnsitze: Fehlende Möglichkeiten zur Regulierung von Ferienwohnungen führen zu einem Rückgang bezahlbaren Wohnraums für Einheimische.
- Naturschutz vs. Entwicklung: Entscheidungen zu Schutzgebieten oder Bauvorhaben werden oft ohne hinreichende Rücksprache mit der Gemeinde getroffen.
Vorschläge zur Änderung:
Meine Ideen, um das zu verbessern, wären (unter anderem):
- Gesetzliche Stärkung der kommunalen Rechte: Mehr Mitspracherecht für die ländliche Kommunalpolitik bei Landes- und Bundesentscheidungen, die direkte Auswirkungen auf die Gemeinden haben (z. B. Tourismusregelungen, Wohnungsbau, Infrastruktur). Hierfür braucht es eine Änderung der Kommunalverfassung, um Entscheidungsbefugnisse, z. B. in der Bauleitplanung oder Nutzung öffentlicher Flächen, stärker bei den Gemeinden zu verankern.
- Finanzielle Eigenständigkeit der Gemeinden verbessern: Erhöhung der Schlüsselzuweisungen (Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich), um eigenständige Projekte ohne aufwendige Förderanträge realisieren zu können..Mehr kommunale Steuerhoheit, etwa bei der Gestaltung von Zweitwohnungssteuern oder Tourismusabgaben, damit Einnahmen direkt im Ort genutzt werden können.
- Bürokratieabbau und flexible Förderprogramme: Unbürokratische Fördermittelvergabe, angepasst an die spezifischen Bedürfnisse kleiner Gemeinden (weniger formale Hürden, schnellere Bewilligung); Modellprojekte für ländliche Räume, bei denen Kommunen eigene Lösungen ausprobieren dürfen, etwa im Bereich Mobilität, Digitalisierung oder Klimaanpassung.
- Regionale Kooperationen stärken: Bündnisse zwischen Gemeinden auf Rügen zur besseren Interessenvertretung gegenüber dem Kreis, dem Land und dem Bund.Gemeinsame Entwicklungsstrategien mit Nachbargemeinden, etwa für den Tourismus, Verkehr oder den Arbeitsmarkt – um Ressourcen zu bündeln und stärker aufzutreten.
- Bürgerbeteiligung und Transparenz: Mehr direkte Bürgerbeteiligung, um Rückhalt für kommunale Positionen zu gewinnen und Entscheidungsprozesse zu legitimieren.Transparente Kommunikation über die eigenen Handlungsspielräume – auch um Druck auf übergeordnete Ebenen auszuüben.
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